[[MENSCH & WELT]] [[Ich & Welt]] | [[Menschenerkenntnis]] | [[Untertauchen in Naturwesen]] | [[Welterkenntnis]] ##### Goethes Naturanschauung will eine Brücke zwischen Selbsterkenntnis und Welterkenntnis bauen, indem man die Ideen im Selbsterleben so selbstlos entwickelt, sodass sie gleichzeitig Welterleben werden Was da gewesen ist, versteht man nur, wenn man sich Einblick verschafft, was für eine Weltanschauung Goethe sich in den neunziger Jahren gebildet hatte. Was wollte diese Naturerkenntnis werden? Man hat viel davon gesprochen, ist ihr auch hier und da gerecht geworden, auf den springenden Punkt ist man aber wenig eingegangen. **Dasjenige, auf das es dabei ankommt, ist, daß Goethe durch die Naturerkenntnis die Brücke zu bauen sucht zwischen Selbsterkenntnis und Welterkenntnis.** Wenn man dasjenige betrachtet, was von Goethes Art in der Naturanschauung ist, findet man, daß die einzelnen Ereignisse dieser Forschung und seine Entdeckungen gar nicht die Hauptsache sind. Die Art und Weise, wie er sich die Entwickelung dachte, ist es, worauf es ankam. Wie war sie? So war sie, daß Goethe nach ganz anderen Begriffen und Ideen suchte, als man sie gewöhnt ist. Wenn man nicht sein Augenmerk auf diesen Punkt wenden will, wird man niemals Goethes Naturanschauung verstehen. Bis in die Farbenlehre hinein versteht man Goethe nicht, wenn man nicht ins Auge faßt, was Goethe wollte. **Er wollte mit seiner metaphysischen Lehre zu solchen Begriffen kommen, die nicht von Vorstellung zu Vorstellung, von Begriff zu Begriff in äußerlicher Weise vorgehen, sondern wollte, daß man in die Wirklichkeit selber untertaucht, daß die Idee im Selbsterleben entwickelt wird, welches aber selbstlos genug ist, um gleichzeitig Welterleben zu sein**. Er wollte mit dieser seiner Naturanschauung dasjenige erreichen, was wirklich in die Wirklichkeit untertaucht: er wollte verbinden Selbsterkenntnis und Welterkenntnis. ([[GA 273]], S. 262–263, 12.06.1918) --- Das Faust-Problem. Die romantische und die klassische Walpurgisnacht. Geisteswissenschaftliche Erläuterungen zu Goethes «Faust». Band II. (GA 273). Rudolf Steiner Verlag, 4. Aufl., Dornach 1981[ ](https://akanthosakademie.files.wordpress.com/2023/06/ga273.pdf#page=262&view=Fit).