[[ANTHROPOSOPHIE]] | [[PHÄNOMENOLOGIE]] [[Lesen im Buch der Natur]] ##### Zusammenstellen vieler Phänomene führt durch innere Tätigkeit zum Lesenlernen der Natur Wenn jemand einen einzelnen Buchstaben ansieht, so kann er sagen: Dieser einzelne Buchstabe weist auf nichts anderes hin als auf das, was seine Form ist, und diese seine Form kann ich nicht auf etwas anderes beziehen; sie sagt mir nichts anderes. - Und wenn ich, sagen wir, eine elektrische Erscheinung anschaue, so ist es geradeso, wie wenn ich einen Buchstaben anschaue, der mir nichts sagt. Etwas anderes ist es aber, wenn ich viele Buchstaben nacheinander anschaue und ein Wort habe, so daß ich dadurch vom Anschauen zum Lesen geführt werde. Ich habe auch nichts anderes vor mir als das, was angeschaut wird, aber ich dringe vor zu dem Sinn. Da werde ich zu etwas ganz anderem geführt. Und so ist es auch richtig, daß, **solange man nur einzelne Naturerscheinungen und einzelne Naturelemente erfaßt - Elemente im Sinne von mathematischen Elementen - kann man mit Recht sagen, man dringt nicht ins Innere. Aber wenn man versucht, dann im Zusammenhang alles zu beleben, mit einer neuen Tätigkeit einzusetzen, so wie beim Übergang vom bloßen einzelnen Buchstaben zum Lesen des Wortes, dann wird es etwas ganz anderes.** Deshalb ist dasjenige, **was Geisteswissenschaft sein will, nichts anderes als Phänomenologie, aber Phänomenologie, die nicht dabei stehenbleibt, die einzelnen Phänomene zusammenzusetzen, sondern sie zu lesen im Zusammenhang der Phänomene.** Es ist Phänomenologie, und es wird nicht gesündigt dadurch, daß man spekulierend über die Phänomene hinausgeht, sondern man fragt ihnen ab, ob sie nicht nur in Einzelheiten, sondern im Zusammenhang für eine gewisse innerliche Tätigkeit etwas zu sagen haben. ([[GA 073a]], S. 418-419, 17.06.1920) ___ Fachwissenschaften und Anthroposophie. (GA 073a). Rudolf Steiner Verlag, 1. Aufl., Dornach 2005[ ](https://akanthosakademie.files.wordpress.com/2023/06/ga073a.pdf#page=418&view=Fit).