[[Geistige Konstruktion]] | [[Mathematik]] ##### Geistige Konstruktion, innere Überschaubarkeit und äußere Verifizierung Man überschaut im Mathematischen, wenn man Begriffe bildet, innerlich vollständig alles. Nehmen Sie als ein einfaches Beispiel in der euklidischen Geometrie den gewöhnlichen Beweis dafür, daß die drei Winkel eines Dreiecks zusammen 180 Grad betragen, wo man oben durch die Spitze des Dreiecks eine Parallele zur Grundlinie zieht, die dort auf diese Weise entstandenen Winkel betrachtet, die als Wechselwinkel gleich sind den beiden anderen Winkeln des Dreiecks - der dazwischen liegende bleibt sich ja gleich -, und wo man dann sehen kann, wie diese drei Winkel dort an der Spitze zusammen 180 Grad betragen, also in ihrer Summe den drei Winkeln des Dreiecks gleich sind. - Wenn man das überschaut, hat man einen mathematischen Beweis, aber man hat zu gleicher Zeit etwas, wobei man gar nicht abhängig ist von einer äußeren Anschauung, sondern durchaus die Dinge in innerlichem Konstruieren überschauen kann. Hat man dann ein äußeres Dreieck, so findet man, daß durch die äußeren Tatsachen verifiziert wird, was man vorher innerlich überschaut hat. Das ist in der ganzen Mathematik so. Es bleibt alles so, daß man nicht an die Sinnesanschauung heranzugehen braucht, um zu dem zu kommen, was man «Beweis» nennt, daß aber alles, was man innerlich gefunden hat, auch äußerlich Stück für Stück verifiziert werden kann. ([[GA 081]], [06.03.1922, S. 20](https://akanthosakademie.files.wordpress.com/2023/06/ga081.pdf#page=20&view=Fit))