[[GEIST & NATUR]] | [[GOETHES ERKENNTNISART]] | [[BRUNO]]
[[Goethe Biographie]]
##### Goethe hat schon als Junge wie Giordano Bruno den Geist in der Natur verehrt
Non est Deus vel intelligentia exterior circumrotans et circumducens; dignius enim Uli debet esse internum principium motus, quod est natura propria, species propria, anima propria, quam habeant tot quot in illius gremio et corpore vivunt hoc generali spiritu, corpore, anima, natura animantia, plantae, lapides quae universa ut diximus proportionaliter cum astro eisdem composita ordine, et eadem contemperata complexionum, symmetria, secundum genus, quantumlibet secundum specierum numeros singula distinguuntur.[^1]
Was wär' ein Gott, der nur von außen stieße,
Im Kreis das All am Finger laufen ließe!
Ihm ziemts, die Welt im Innern zu bewegen,
Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,
So daß, was in Ihm lebt und webt und ist,
Nie Seine Kraft, nie Seinen Geist vermißt!
So Zeile für Zeile übersetzt, gibt dieses Goethesche Gedicht eine poetische Übersetzung Giordano Brunos aus dem Geiste Goethes heraus! Man kann nicht Goethe sein - und etwa Giordano Bruno neben sich liegen haben, wenn man diese Verse hinschreiben will; es mußte dabei etwas spielen, was niemals spielen kann, wenn Goethe bloß einfach in poetische Form umgegossen hätte, was Giordano Bruno gesagt hat. Da sehen wir, wie in Goethe Giordano Brunos Geist ganz lebendig geworden ist. Aber wir müssen nicht nur ein paar Jahrhunderte hinauf gehen, wenn wir von Galilei und Giordano Bruno kommen und Goethe sprechen lassen wollen, sondern wir müssen sozusagen auch bekennen, daß dasjenige, was bei Giordano Bruno wie aus der ersten großen enthusiastischen Stimmung, aus der philosophischen Naturstimmung heraus entsprungen ist, bei Goethe diejenige Stimmung weckt, die nun mit voller Hingabe wieder von Ding zu Ding geht und den Gott, den der Mensch nun fühlen gelernt hat in der Natur, wieder hineinträgt in die Naturdinge. Bei Goethe ist die Giordano Bruno-Stimmung eben Stimmung geworden, ist gleichsam mit ihm geboren. Sie war da, als der siebenjährige Knabe das Notenpult seines Vaters nimmt, es hinstellt, Mineralien aus seines Vaters Sammlung darauf legt, um Naturprodukte zu haben, ebenso Pflanzen aus seines Vaters Herbarium, oben darauf ein Räucherkerzchen steckt und nun ein Brennglas nimmt, an den Strahlen der aufgehenden Morgensonne das Räucherkerzchen entzündet, um so dem Gotte, der in den Mineralien und Pflanzen lebt und dem er einen Altar errichtet hat, ein Rauchopfer darzubringen, das von den Kräften der Natur selbst entzündet ist. So lebt Giordano Bruno um die Wende des achtzehnten, neunzehnten Jahrhunderts in Goethe - aber so, daß das, was da als innerste Seelenverfassung lebt, Goethe in alle Einzelheiten der Natur hineintrug. ([[GA 060]], [26.11.1911, S. 307 f.](https://akanthosakademie.files.wordpress.com/2023/06/ga060.pdf#page=307&view=Fit))
[^1]: "Es gibt keinen Gott oder äußere Intelligenz, die dreht und lenkt; denn es ist passender, dass das innere Prinzip der Bewegung, das seine eigene Natur, seine eigene Art, seine eigene Seele ist, bei jenen unzähligen Wesen existiert, die in seinem Schoß und Körper durch diesen allgemeinen Geist, Körper, Seele und Natur leben - belebte Wesen, Pflanzen, Steine - die, wie wir gesagt haben, proportional zu den Sternen in derselben Ordnung zusammengesetzt sind und mit derselben Mischung von Temperamenten, Symmetrie, entsprechend ihrer Art temperiert und durch die Anzahl der Arten unterschieden sind, wie viel auch immer nach der Anzahl der einzelnen Arten." (Bruno, Giordano: Thesen zu der Vorlesung des Aristoteles über Physik. In: Kabbala, Kyllenischer Esel, Reden, Inquisitionsakten. Ins Deutsche übertragen von Ludwig Kuhlenbeck. Grafrath: Boer Verlag, 2017. Übs.: Kuhlenbeck, Ludwig, S. 133-144.)