[[ANSCHAUUNG]]
[[Anschauende Urteilskraft]] | [[Ideen anschauen]] [[Objektivität der Ideen]]
##### Goethe vertieft sich in die Wirklichkeit, um in ihrem Wandel die unwandelbaren Gesetze zu finden (Urpflanze, Urtier). Ideen sind für Goethe objektiv.
Goethe flieht die Wirklichkeit nicht, um sich eine abstrakte Gedankenwelt zu schaffen, die nichts mit jener gemein hat; nein, er vertieft sich in dieselbe, um in ihrem ewigen Wandel, in ihrem Werden und Bewegen, ihre unwandelbaren Gesetze zu finden, er stellt sich dem Individuum gegenüber, um in ihm das Urbild zu erschauen. So erstand in seinem Geiste die Urpflanze, so das Urtier, die ja nichts anderes sind als die Ideen des Tieres und der Pflanze. Das sind keine leeren Allgemeinheitsbegriffe, die einer grauen Theorie angehören, das sind die wesentlichen Grundlagen der Organismen mit einem reichen, konkreten Inhalt, lebensvoll und anschaulich. Anschaulich für jenes höhere Anschauungsvermögen, das Goethe in dem Aufsatze über «Anschauende Urteilskraft» bespricht. Die Ideen im Goetheschen Sinne sind ebenso objektiv wie die Farben und Gestalten der Dinge, aber sie sind nur für den wahrnehmbar, dessen Fassungsvermögen dazu eingerichtet ist, so wie Farben und Formen nur für den Sehenden und nicht für den Blinden da sind. ([[GA 030]], S. 210–211)[](https://akanthosakademie.files.wordpress.com/2023/06/ga030.pdf#page=210&view=Fit)
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Goethe-Studien: Moral und Christentum. In: Methodische Grundlagen der Anthroposophie 1884 - 1901 (GA 030). Rudolf Steiner Verlag, 3. Aufl., Dornach 1989.