[[GOETHES ERKENNTNISART]]
[[Abstraktion]] | [[Idee, lebendige]] | [[Untertauchen in Naturwesen]]
Goethe wollte durch sein wissenschaftliches Streben nicht zu solchen Ideen kommen, wie die Weltanschauung der Aufklärung um ihn herum. Goethe wollte zu Ideen kommen, die gewissermaßen in der Seele nur repräsentieren, rege machen dieselben Kräfte, die wir draußen in den Pflanzen, in den Tieren, in der ganzen Natur selber haben. Goethe wollte damit zusammenschließen, was in der Pflanze wächst und geschieht, und er wollte nicht eine Idee haben, die sich bloß als eine Abstraktion gegenüber dem, was da draußen in der Natur webt und lebt, ausnimmt; er wollte eine Idee haben, der gegenüber man sagen kann: sie lebt in der Vorstellung als etwas, was gleichgeartet ist dem, was draußen in der Pflanze lebt. Goethe wollte also nicht Ideen gewinnen, von denen man sagen kann, sie bilden dasjenige ab, was draußen in der Welt ist, aber in Wirklichkeit ist das, was draußen in der Welt ist, ganz anders. **Goethe wollte Ideen gewinnen, durch die in der Seele auf seelengemäße Art auflebte, was draußen auf naturgemäße Art lebt.** Das war sein ganzes Streben. Goethe wollte also eine Erkenntnis, die man als lebendige Erkenntnis, als Zusammenleben mit der Natur ansprechen kann. Das heißt, er wollte mit den Ideen, die er hatte, durch die Natur und ihre Gestaltungen so gehen können, daß sich diese Ideen so verhalten, daß sie das Eigenleben der Natur und ihrer Gestaltung darstellen. Wie sich die Gestalten der Natur verwandeln, so soll sich das, was in der Seele lebt, verwandeln. Es soll in der Seele gar nicht etwas leben, was die Seele nur abgezogen, abstrahiert hat von der Natur, sondern es soll die Seele zusammengeflossen sein mit der Natur, sich mit ihr zusammengelebt haben. ([[GA 065]], [03.02.1916, S. 248-249](https://akanthosakademie.files.wordpress.com/2023/06/ga065.pdf#page=248&view=Fit))