[[ANSCHAUUNG]] | [[GOETHEANISMUS]] | [[GOETHES ERKENNTNISART]] | [[URPFLANZE]] [[Sinnlich-übersinnliche Anschauung]] | [[Untertauchen in Naturwesen]] ##### Idee der Urpflanze entsteht aus produktiver Schaffenskraft, die auch in den Pflanzen wirkt. Untertauchen in die Welterscheinungen Er schrieb an seine Weimarischen Freunde nach Hause, er sei der Urpflanze nun völlig auf die Spur gekommen, jener Pflanze, von der er überzeugt war, daß sie ein nur im Geiste zu erfassendes Gebilde sei, daß sie etwas sei, das zwar allen einzelnen Pflanzenformen zugrunde liege, das aber doch nur ein geistig erfaßtes Einheitsgebilde sei. Und ein merkwürdiges Wort schrieb er dazumal an seine Weimarischen Freunde: Mit diesem Gebilde in der Seele müsse man imstande sein, die Pflanzenwelt so zu erkennen, daß, wenn man dieses Gebilde - Goethe nannte es ein sinnlich-übersinnliches Gebilde -in der entsprechenden Weise abändert, indem man ihm konkrete Form gibt, man innerlich im Geiste etwas schaffen müsse, das die Möglichkeit habe, äußerliche Wirklichkeit zu gewinnen. Mit dieser Urpflanze in der Seele müsse man das Pflanzenleben so tief erfaßt haben, daß man eine Phantasiepflanze erfinden könne, die aber ebenso die Berechtigung habe, äußerliche Wirklichkeit zu sein wie die Pflanzen, die draußen auf den Wiesen und in den Wäldern und auf den Bergen wachsen. Was meinte Goethe und was empfand er, indem er solches aussprach, in dem Augenblick, wo er sich für ein gewisses Erkenntnisgebiet auf dem Gipfel seiner Anschauung glaubte? Sehen wir diesem Ausspruch nicht an, namentlich wenn wir auf alles das Rücksicht nehmen, was in Goethes Natur lebte, daß Goethe der Natur gegenüber eine Erkenntnis anstrebte, die, wie er sich ausdrückt, geistgemäß ist, also eine Erkenntnis, bei der nicht nur die Sinne, bei der nicht nur die Intelligenz mitwirken, sondern eine Erkenntnis, bei der mitwirkt das ganze Geistige des Menschen? Aber sehen wir nicht auch, wie Goethe eine solche Erkenntnis anstrebt, die untertauchen kann zu dem Wesen der Dinge, die sich so eins mit den Dingen weiß, daß sie, indem sie in sich die Idee der Dinge schafft, sich klar sein kann, daß in dieser Schaffenskraft, die in der Seele lebt und produktiv ist, dasselbe lebt und webt wie in der Wachstumskraft der Pflanze da draußen? Goethe war sich klar darüber: Wenn die Pflanze da draußen wächst, wenn sie Blatt für Blatt, Knoten für Knoten, Blüte für Blüte entwickelt, da lebt in ihr Wachstumskraft. Aber mit dieser Wachstumskraft, die da draußen lebt, wollte Goethe sich selber verbinden, die wollte er in der eigenen Seele leben lassen. In dem, was er als Erkenntnis-Ideen über die Dinge erschuf, sollte etwas leben, was dasselbe ist, wie es draußen in den Dingen liegt. (GA 333, S. 144–145, 30.12.1919) --- Gedankenfreiheit und soziale Kräfte. Die sozialen Forderungen der Gegenwart und ihre praktische Verwirklichung. (GA 333). Rudolf Steiner Verlag, 2. Aufl., Dornach 1985[ ](https://akanthosakademie.files.wordpress.com/2023/06/ga333.pdf#page=144&view=Fit).