[[METAMORPHOSE]] | [[URBILD]] [[Erkenntnis des Organischen]] | [[Methode]] | [[Naturgesetz]] ##### Die Metamorphosenschrift ist der Beginn einer Erkenntnis aller organischer Lebewesen. Der Streit betraf die Frage, ob jede der Spezies, in denen die organische Natur sich auslebt, einen besonderen Bauplan für sich habe oder ob ihnen allen ein solcher gemeinsam sei. Goethe hatte für sich diese Frage bereits mehr als vierzig Jahre früher entschieden. Sein eifriges Studium der Pflanzen- und Tierwelt hatte ihn zum Gegner der Linneschen Ansicht gemacht, daß wir «Spezies so viele zählen, als verschiedene Formen im Prinzip geschaffen worden sind». Wer eine solche Meinung hat, kann sich nur bemühen zu erforschen, welches die Organisationspläne der einzelnen Spezies sind. Er wird diese einzelnen Formen vor allem sorgfältig zu unterscheiden suchen. Goethe schlug einen anderen Weg ein. «Das, was Linne mit Gewalt auseinanderzuhalten suchte, mußte, nach dem innersten Bedürfnis meines Wesens, zur Vereinigung anstreben.» Es bildete sich in ihm die Meinung aus, die er 1796 in den «Vorträgen über die drei ersten Kapitel des Entwurfs einer allgemeinen Einleitung in die vergleichende Anatomie» in dem Satze zusammengefaßt hat: «Dies also hätten wir gewonnen, ungescheuet behaupten zu dürfen, daß alle vollkommnern organischen Naturen, worunter wir Fische, Amphibien, Vögel, Säugetiere und an der Spitze der letzten den Menschen sehen, alle nach einem Urbilde geformt seien, das nur in seinen sehr beständigen Teilen mehr oder weniger hin und her weicht und sich noch täglich durch Fortpflanzung aus- und umbildet.» Das Urbild, auf das sich alle mannigfaltigen Pflanzenformen zurückführen lassen, hat Goethe schon 1790 in seinem «Versuch, die Metamorphose der Pflanzen zu erklären» dargestellt. Diese Betrachtungsweise, durch die Goethe die Gesetze der lebendigen Natur zu erkennen bestrebt war, ist ganz gleich derjenigen, die er in seinem 1793 geschriebenen Aufsatz «Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt» für die leblose Welt fordert: «In der lebendigen Natur geschieht nichts, was nicht in einer Verbindung mit dem Ganzen stehe, und wenn uns die Erfahrungen nur isoliert erscheinen, wenn wir die Versuche nur als isolierte Fakta anzusehen haben, so wird dadurch nicht gesagt, daß sie isoliert seien; es ist nur die Frage: Wie finden wir die Verbindung dieser Phänomene, dieser Begebenheiten?» Auch die Spezies erscheinen uns nur isoliert. Goethe sucht ihre Verbindung. Daraus geht klar hervor, daß Goethes Streben darauf gerichtet ist, bei Betrachtung der Lebewesen dieselbe Erklärungsart anzuwenden, die bei der leblosen Natur zum Ziele führt. ([[GA 030]], S. 154–156) --- Haeckel und seine Gegner (1899). (GA 030). Rudolf Steiner Verlag, 3. Aufl., Dornach 1989[ ](https://akanthosakademie.files.wordpress.com/2023/06/ga030.pdf#page=154&view=Fit).