[[ORGANIK]] [[Bildungsprinzipien]] | [[Natur-Etat]] | [[Zoologie]] Wenn wir die Teile genau kennen und betrachten, so werden wir finden, daß die Mannigfaltigkeit der Gestalt daher entspringt, daß diesem oder jenem Teil ein Übergewicht über die andern zugestanden ist. So sind, zum Beispiel, Hals und Extremitäten auf Kosten des Körpers bei der Giraffe begünstigt, dahingegen beim Maulwurf das Umgekehrte stattfindet. Bei dieser Betrachtung tritt uns nun gleich das ''Gesetz'' entgegen: **daß keinem Teil etwas zugelegt werden könne, ohne daß einem andern dagegen etwas abgezogen werde, und umgekehrt.** **Hier sind die Schranken der tierischen Natur, in welchen sich die bildende Kraft auf die wunderbarste und beinahe auf die willkürlichste Weise zu bewegen scheint, ohne daß sie im mindesten fähig wäre, den Kreis zu durchbrechen oder ihn zu überspringen.** Der Bildungstrieb ist hier in einem zwar beschränkten, aber doch wohl eingerichteten Reiche zum Beherrscher gesetzt. Die Rubriken seines Etats, in welche sein Aufwand zu verteilen ist, sind ihm vorgeschrieben, was er auf jedes wenden will, steht ihm, bis auf einen gewissen Grad, frei. Will er der einen mehr zuwenden, so ist er nicht ganz gehindert, allein er ist genötigt, an einer andern sogleich etwas fehlen zu lassen; und so kann die Natur sich niemals verschulden oder wohl gar bankrott werden. Wir wollen versuchen, uns durch das Labyrinth der tierischen Bildung an diesem Leitfaden durchzuhelfen, und wir werden künftig finden, daß er auch bis zu den formlosesten organischen Naturen hinabreicht. Wir wollen ihn an der Form prüfen, um ihn nachher auch bei den Kräften brauchen zu können. _____ Erster Entwurf einer allgemeinen Einleitung in die vergleichende Anatomie, ausgehend von der Osteologie (1795/1820). Zur Morphologie (Band I Heft 2). Berliner Ausgabe, Bd. 24 / Züricher Ausgabe Bd. 17, [[Naturwissenschaftliche Schriften II Zoologie#^knu6sd|S. 237-328]]